Das Schweizer-Käse-Modell des englischen Psychologen J. Reason beschreibt recht eindrucksvoll das somit entstehende Problem: Unternehmen wie Krankenhäuser haben eine Vielzahl von Hürden und Mechanismen zur Fehlervermeidung (wie z.B. Patientenarmbänder, Sicherheitschecklisten, Behandlungsstandards) aufgebaut. Jedes Instrument für sich betrachtet kann allerdings überwindbare „Schlupflöcher“ (ähnlich eines Schweizer Käses) aufweisen. In der Regel sorgt jedoch die nächste Hürde dafür, dass Fehler ohne Auswirkungen bleiben. Summiert sich allerdings die Anzahl an Schlupflöschern kann es zum Schaden kommen.
Nach dem „Gesetz für Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ sind seit 1998 alle Aktiengesellschaften verpflichtet, ein Risikomanagement mit dem Ziel aufzubauen, systematisch Risiken einer ökonomischen Fehlsteuerung zu vermeiden (Gausmann 2002). Die Wichtigkeit eines Risikomanagementsystems wird zunehmend auch von den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und besonders von den Haftpflichtversicherungen untermauert (vgl. Lange/Röthig/van der Sloot/Kemm/Liebelt 2003:22).
Nun hat auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als Folge des 2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetzes die verpflichtende Einführung eines Risikomanagements und Fehlermeldesystems in deutschen Krankenhäusern beschlossen. Der G-BA geht in seinen Forderungen sogar so weit, dass er die Entwicklung und Umsetzung einer Risikostrategie in den Krankenhäusern vorsieht.
Wesentliche Punkte des G-BA-Beschlusses vom 23. Januar 2014 sind:
- Risiken müssen identifiziert und analysiert werden. Hierbei ist ein besonderes Augenmerk auf die Risiken zu legen, die der Patientensicherheit dienen. Auf Grundlage der durch die Krankenhausleitung festgelegten Risikostrategie sind die identifizierten Risiken zu bewerten und geeignete Präventions- bzw. Korrekturmaßnahmen einzuleiten.
- Ferner sind durch die Krankenhausleitung für das Risikomanagement verantwortliche Personen zu benennen. Diesen obliegt die Etablierung und Weiterentwicklung des Systems.
- Die Mitarbeiter sind regelmäßig über das Risikomanagementsystem zu informieren, in der Nutzung der Instrumente des Risikomanagement zu schulen und in Fallbesprechungen zu integrieren.
- Es soll ein für Mitarbeiter niederschwellig zugängliches Fehlermeldesystem aufgebaut werden, das die Möglichkeit bietet, Meldungen anonym, freiwillig und sanktionsfrei zu tätigen.
- Die Meldungen sind nach eingehender Analyse zur Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen zu nutzen.
- Der Umgang mit Meldungen ist umfänglich und zu jeder Zeit nachvollziehbar zu dokumentieren.
- Zur Aufdeckung von systematischen Risiken in der Patientenversorgung wird die Erwartung formuliert, dass sich Krankenhäuser an einrichtungs-übergreifenden Meldesystemen beteiligen. Die Beteiligung stellt die Grundlage für die Vereinbarung von Zuschlägen in den Krankenkassenverhandlungen dar.
- Aus dem Beschwerdemanagement resultierende Ergebnisse und sich damit auch ergebende Risiken sollen im Risikomanagement berücksichtigt werden.
Wie kann nun der Aufbau und die Einführung eines solchen Risiko- und Fehlermanagementsystems erfolgen?
An dieser Stelle möchte ich Ihnen gerne eine Best Practice-Lösung aus einem unserer Projekte vorstellen.
Ziel des Projektes war es durch Identifikation und Analyse bereits entstandener, bestehender und potenzieller Risiken vor allem in der Patientenversorgung vorkommende Fehler und Schäden zu verhindern und somit die Patientensicherheit zu erhöhen bzw. letztlich auch die Haftungsrisiken des Krankenhauses zu reduzieren.
Im Rahmen des Projekts galt es, sowohl behandlungsbezogene (z.B. Aufklärung, Leitlinienkonformität) als auch betriebswirtschaftliche Risiken (z. B. Liquidität, Wettbewerbssicherheit) zu berücksichtigen. Mit dem Ziel, Risiken beider Ebenen zu identifizieren, wurden im Rahmen einer Risikoanalyse verschiedene Methoden kombiniert (siehe Grafik unten).
Die Datenanalyse basierte auf Daten von internen und externen Audits, Befragungsergebnissen, der externen Qualitätssicherung sowie dem Beschwerdemanagement. Einzelfallanalysen wurden mithilfe von Falldokumentationen und Patientenakten erstellt. Im Rahmen eines Risikoaudits wurden über 200 Einzelrisiken aus der Unternehmerperspektive mit internen Fachexperten analysiert. Jedes Risiko wurde dabei einer der folgenden Risikogruppen zugeordnet:
- Marktrisiken
- Strategische und Managementrisiken
- Finanzrisiken
- Behandlungsbezogene Risiken
- Personalrisiken
- Informationstechnische Risiken
- Infrastruktur-Risiken
- Rechtliche Risiken
- Sonstige Risiken
Zur Verifizierung der aus den oben genannten Analysemethoden gewonnenen Erkenntnisse wurde eine anschließende Prozessbeobachtung durchgeführt. Diese ermöglichte es uns ein reales Bild der Abläufe und Strukturen zu erhalten sowie Schnittstellenprobleme zu identifizieren.
Die Ergebnisse der Risikoanalyse wurden in einem umfassenden Risikobericht mit konkreten Handlungsempfehlungen dargestellt und der Krankenhausleitung vorgestellt. Davon ausgehend wurde eine übergeordnete Steuerungsgruppe beauftragt - basierend auf der Unternehmensstrategie - eine Risikostrategie zu entwickeln. Inhalte des Gesamtkonzepts waren ferner die Benennung von Risikoverantwortlichen sowohl für den behandlungsbezogenen als auch den betriebswirtschaftlichen Bereich, die Vernetzung und ganzheitliche Betrachtung von Risiken als auch die Festlegung des internen Risikomanagementprozesses.
Am Ende des Projekt stand ein Kulturwechsel weg von „du bist Schuld“ hin zu einem durchdrungenen Problembewusstsein und einer steten Lösungsorientierung durch alle Berufsgruppen und Hierarchieebenen.
Sie möchten die Zuschläge der Krankenkassen nicht verlieren und möchten daher an der Weiterentwicklung Ihres Risikomanagements arbeiten? Dann informieren Sie sich über unsere Beratungsleistungen Risikomanagement.