Teil 2 zum ZEQ-COVID-19-Szenariorechner: Szenarioberechnung vs. Prognose – Die Grenzen der Modellierung

Die Frage der Zuverlässigkeit unserer Berechnungen führt uns dazu, uns grundsätzlich mit dem Ziel und Nutzen unseres Szenariorechners auseinanderzusetzen. Wir haben uns bewusst entschieden, von einem Szenariorechner, nicht von einem Prognosetool zu sprechen - und das hat direkte Implikationen auf den Umgang mit den Prognoserechnungen: Die Situation, in der sich Deutschland und die Welt gerade befinden, ist zum einen hochkomplex und zum anderen - und das ist das Entscheidende - voller unbekannter Größen.

 

Prof. Martin Eichner, klinischer Epidemiologe an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und Entwickler des Covid-19-Simulationstools covidSIM (http://covidsim.eu/), brachte es im Interview in der Tagesschau auf den Punkt: „Das Problem bei all den Überlegungen ist aber: Es gibt noch viel zu viele Unbekannte: Wir wissen noch immer nicht, wie viele der angesteckten Personen eigentlich erkranken, wie viele zum Arzt oder ins Krankenhaus müssen. Für genauere Modellrechnungen ist die Datenlage noch viel zu diffus.“ Eine Prognose des Verlaufs der nächsten Wochen und Monate wird also dadurch erschwert, dass wir mit jedem Tag etwas Neues lernen, das sich wiederum auf die Prognoseergebnisse auswirkt. Das zeigt sich auch in unserem Szenariorechner: Mit jeder neuen Version, mit jeder aktualisierten Fallzahl verändert sich die Vorhersage des Strukturbedarfs. Denn jede neue Fallzahl gibt uns ein wenig mehr Aufschluss über die tatsächlichen Wachstumsraten der Infektion. Das bedeutet aber eben auch, dass eine heute getroffene Prognose nächste Woche schon überholt sein kann.

Aus diesem Grund sprechen wir  von einem Szenariorechner. Wir treffen keine unumstößlichen Aussagen über die langfristige Entwicklung der Infektion, sondern geben dem Anwender die Möglichkeit, in Szenarien (basierend auf der aktuellen Entwicklung) eine Orientierung zu finden. Um es also klar auf den Punkt zu bringen: Der Rechner nimmt dem Anwender nicht das selbstständige Denken und die Interpretation der Ergebnisse ab. Eine einmalige Betrachtung des Rechners liefert einen ersten Anhaltspunkt, aber erst eine wiederkehrende Betrachtung der Szenarien und der Entwicklung gibt wirklich Aufschluss über das Kommende. Welches der Szenarien  tatsächlich Wirklichkeit wird, kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt niemand beantworten. Es gibt zu viele unbekannte Größen, um eine absolut gesicherte Prognose zu treffen.

Zielsetzung unseres Rechners ist es, dem Anwender eine Orientierung im Dschungel der möglichen Szenarien zu bieten. Dafür ist zum einen eine einfache Bedienung und ein guter Überblick zentral. Zum anderen braucht der Anwender aber die Möglichkeit, die unbekannten Größen auf Basis aktueller Erkenntnisse oder eigener Schätzungen variieren zu können. All dies liefert unser Szenariorechner in seiner aktuellen Version. Das Instrument ist aber natürlich nur dann sinnvoll einsetzbar, wenn die gewählte Prognosemethodik auch brauchbare Prognosen liefert.

Das alles führt uns zur Frage: Was ist der passende methodische Ansatz? Dieser Fragestellung werde ich im nächsten Blog dieser Reihe nachgehen.

Lesen Sie hier weiter »Teil 3: Die Gretchenfrage der Methodik

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